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Ernteverluste durch Klimawandel: Das große Krabbeln auf den Feldern

Ernteverluste durch Klimawandel: Das große Krabbeln auf den Feldern
In einer wärmeren Welt werden auch unerwünschte Insekten mehr und gefräßiger – es drohen Ernteeinbußen. Bild von Boris Smokrovic auf Unsplash

Der Klimawandel lässt Insektenpopulationen in vielen Regionen der Welt wachsen – und hungriger werden. Das kann zu enormen Ernteausfällen führen. US-Forscher haben berechnet, mit welchen Einbußen Bauern mit jedem Grad zusätzlicher Erderwärmung zu rechnen haben.

Es sind nicht nur Dürren, die die Ernten der Zukunft mit fortschreitendem Klimawandel dahinraffen könnten. Auch Insektenplagen dürften zu massiven Ernteverlusten führen, wie US-Forscher heute im Fachmagazin Science am Beispiel von Mais, Weizen und Reis vorrechnen. Die drei Getreidearten machen 42 Prozent der Welternährung aus.

Zwei Effekte spielen den Wissenschaftlern zufolge zusammen: Erstens beschert der Klimawandel Insekten in vielen Weltregionen durch steigende Temperaturen bessere Lebensbedingungen, sodass sich die Populationen stärker ausbreiten. Vor allem gemäßigte Gefilde wie die hiesigen betrifft das. Und zweitens werden die einzelnen Tiere gefräßiger. Die Wärme regt ihren Stoffwechsel an.

Schon jetzt fressen die Tiere sich durch die Felder und schmälern die Ernte merklich. Je nach Region und Getreideart kosten die Sechsbeiner die Bauern fünf bis 20 Prozent der Erträge. Mit jedem Grad, das zur globalen Durchschnittstemperatur hinzukommt, steigt der Verlust laut der neuen Studie um zehn bis 25 Prozent.

Nicht alle denkbaren Faktoren sind in die Studie eingeflossen – teils auch schlicht, weil diese noch nicht abzuschätzen sind. Die Entwicklung der Landwirtschaft, einzelne zu erwartende Wetterextreme oder die Reaktion natürlicher Feinde der Insekten auf die Temperaturerhöhung haben die Forscher beispielsweise außen vor gelassen.

Fachkollege Teja Tscharntke, Leiter des Fachbereichs Agrarökologie an der Universität Göttingen, hält das Fazit der Studie dennoch für zutreffend. "Trotz aller Unsicherheiten, die solche Modell-Prognosen naturgemäß begleiten, ist sicher von unwirtlicheren Bedingungen für die Landwirtschaft der Zukunft auszugehen", kommentiert er die Ergebnisse.

"Gefahr für die Ernährungssicherheit"

Studienautorin Rosamond Naylor von der kalifornischen Stanford University zeichnet ein unheilvolles Bild der Auswirkungen. "Der Einfluss des Klimawandels auf den Schädlingsbefall wird die Ernährungssicherheit gefährden und Umweltschäden verschärfen", sagt die Ökonomin. Mit Letzterem spielt sie auf eine offensichtliche Strategie gegen den Insektenbefall an: chemische Pestizide, wie die industrielle Landwirtschaft sie bereits im großen Stil einsetzt, die allerdings grob umweltschädlich sind.

Neben solchen technischen Lösungsversuchen wie der Nutzung von Insektengiften oder auch genetisch verändertem Saatgut könne man den Ernteverlust aber auch durch verträglichere Methoden eingrenzen, so Naylor, etwa durch die Einführung langer Fruchtfolgen.

Bannen lässt sich die Gefahr aber wohl nicht mehr. "Es sieht so aus, als wären die Schädlingspopulationen in beinahe jedem Klimawandel-Szenario die Gewinner, vor allem in den sehr produktiven gemäßigten Regionen", sagt die Umweltökonomin. Das werde die Nahrungsmittelpreise steigen lassen. Ohnehin von Nahrungsunsicherheit betroffene Familien müssten dann noch stärker leiden.

Der effektivste Weg zur Schadensbegrenzung ist logischerweise konsequenter Klimaschutz – obwohl die Studie auch schon massive Probleme erwarten lässt, wenn die Welt ihre bisherigen Klimaziele einhält und die globale Erwärmung auf allerhöchstens zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau begrenzt. Dann wäre es auf der Erde im Mittel immer noch um ein Grad wärmer als heute.

"Ich hoffe, dass unsere Ergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, dass mehr Daten dazu erhoben werden, wie Schädlinge sich auf Ernteeinbußen in einer wärmer werdenden Welt auswirken", sagt Leitautor Curtis Deutsch von der University of Washington. "Wir können uns schließlich nicht mehr für oder gegen eine Erwärmung entscheiden, sondern nur noch, wie viel Erwärmung wir zulassen."

Dieser Artikel erschien zuerst auf klimareporter.de.

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